Vom Grenzland zum Kernland
Die Geschichte von Šafov/Schaffa, die sicherlich
700/800 Jahre umfasst, ist hier nicht durchlaufend dargestellt worden. Es
sollten vielmehr Schwerpunkte gesetzt werden, die das wechselhafte Schicksal
der darin wohnenden und wirkenden Menschen beleuchten – dieses Ortes an der
direkten Grenze Mähren – Österreich, Tschechien – Österreich, mit seiner
dramatischen Geschichte in den verschiedensten Epochen, seinem Auf und Ab,
seinen Höhen und Tiefen, die in dieser Broschüre sehr anschaulich dargestellt
sind.
Schaffa war konkret: deutsch,
deutsch-jüdisch,
deutsch-tschechisch und ist
heute „rein“ tschechisch!
Hier fehlt nichts an Dramatik. Die Darstellung
dieses Mikrokosmos Šafov mit Beziehungen zu Langau lässt nichts an den großen
Ereignissen, spiegelbildlich, des 20. Jahrhunderts zu wünschen übrig.
Es gilt sehr deutlich: In der kleinen Welt spiegelt sich die große wieder.
Langau hatte 1961 (Bergbau, wirtschaftlicher Höhepunkt) 1384 Einwohner, im
Jahre 2001 aber nur noch 764 – zusammen mit Hessendorf.
Šafov
hatte 1843 exakt 1251 Einwohner, 1994 nur noch 169.
Diese Zahlen zeigen uns deutlich die Realität unseres gemeinsamen Grenzraumes.
Nur: Wir sind heute nicht mehr Grenzland, sondern Kernland.
Wir sind nicht mehr das Ende der „Freien Welt“, der äußerste Osten des Freien
Westens und wir sind in Šafov nicht mehr das Ende des Sowjet-Imperiums, am Ende des Eisernen
Zaunes. Der Eiserne Vorhang, der Europa und so auch die kleinsten Zellen – die
zwei Nachbarorte Langau und Šafov – eisern getrennt hat, d. h. jegliche Kommunikation unterbunden
hat, und totale Beziehungslosigkeit bedeutete.
Keine andere Region unserer Heimat ist so stark vom Aufeinanderprall von Ost
und West geprägt, wie die Region des südlichen Böhmens und Mährens sowie des
nördlichen Waldviertels und Weinviertels – auch das ist unsere Wirklichkeit.
Deshalb ist es umso wichtiger, sich klar vor Augen zu halten, was 800 Jahre
hindurch das Normalste war: Von einem Ort zum anderen zu gehen. Es ist heute
noch nicht möglich. Noch vor 2007, also vor Schengen, musste man fast 30
Kilometer mit dem Auto fahren, um die eigentliche Distanz von 3 Kilometer zu
überwinden. Und das im Zeitalter der Telekommunikation Heute, wie gesagt sind
es von einem Kirchturm zum anderen knappe 4 Kilometer.. Immerhin, vor 19 Jahren
waren es noch 75 km.
Wir sind nicht mehr die äußersten Berührungspunkte zweier völlig
entgegengesetzter Gesellschaftsordnungen.
Wir sind wieder wir selbst – und dürfen es auch wieder sein, ja, es ist sogar
gewünscht, erhofft. Und: es gibt keine Alternative dazu!
Heute ist dies Tatsache: Wir sind im Zentrum des Herzens von Europa, wir sind
seit 11 Jahren freie Nachbarn in einem „freien Europa“, es liebt ganz an uns,
diese Freiheit, diese Möglichkeiten und Chancen zu nützen oder verstreichen zu
lassen.
Sind wir uns dessen bewusst?
Wollen wir eigentlich diese Nachbarschaft????
Sind wir froh darüber?
Oder haben wir Angst voreinander??
Die offene Grenze
bedeutet nicht in erster Linie – wie es leider zu oft in diesen Orten gesehen
wird – Konkurrenz, unterschiedliche Kaufkraft, und schwierigste neue
Bedingungen der Umstellung in verschiedensten Bereichen. Natürlich, auch das!
Aber noch mehr bedeuten diese offenen Grenzen für unsere benachteiligte
Regionen in erster Linie neue Möglichkeiten der Begegnung von Mensch zu Mensch,
neue Kooperationen auf allen Ebenen. Es ist unsere gemeinsame Heimat, unser
gemeinsamer Lebensraum. Umso wichtiger für das gemeinsame Verstehen ist es, um
die jeweilige Herkunft möglichst gut Bescheid zu wissen.
Eine dynamische Entwicklung im positivsten Sinne des Wortes ist festzustellen.
Eine Aufbruchsstimmung herrscht bei denen, die diese Zeichen erkennen und
umzusetzen wissen.
Wir sind längst eine beispielhafte, europäische Wachstumsregion. Lassen wir
diese Chance nicht ungenützt vorbeiziehen.
Am 26.10. ist österreichischer Nationalfeiertag: Der Tag, an dem 1955 der
letzte (russische) Besatzungssoldat Österreich verlassen hat.
Der 28. 10. ist der tschechische Nationalfeiertag:
Die Entstehung der 1. Republik, die Freiheit von Österreich.
Vielleicht sollten wir in Zukunft andere Ereignisse als „Feiertage unserer
Nationen“ wählen!?
Als kleines Symbol in diese Richtung sei dieses Vorwort!
Šafov - Langau
Andreas Johannes Brandtner
Pfarrer in Langau |